Rutvica Andrijasevic
in Arbeitsgruppe
moving..on... (eds.)
moving..on...
Handlungen
an Grenzen – Strategien zum Antirassistischen
Handeln,
NGBK: Berlin, 2005
Schöne tote Körper:
Gender,
Migration
und Repräsentation in Kampagnen gegen Menschenhandel
Einleitung
Seit den
frühen Neunziger
Jahren sind in fast
allen osteuropäischen Staaten Plakate und Broschüren
erschienen, die vor den
Gefahren des Menschenhandels warnen. Sie sind Bestandteil von Kampagnen
gegen
Menschenhandel, die sowohl an junge Frauen als potentielle Opfer des
Menschenhandels als auch an ausgewählte Gruppen wie politische
EntscheidungsträgerInnen, PolizeibeamtInnen und relevante
staatliche
FunktionsträgerInnen adressiert sind, um das Bewusstsein für
den Menschenhandel
zu erhöhen, insbesondere im Bereich der Sexarbeit. Die in den
Kampagnen
verwendeten Formate und Materialien sind sehr vielfältig und
umfassen Plakate
für drinnen und draußen (in Bussen und auf
Plakatwänden), Flugblätter,
Faltblätter, voradressierte Postkarten, Aufkleber,
Einkaufstüten und
Taschenkalender. Einige Kampagnen werden auch von Radio- und
Fernsehwerbespots
oder Dokumentarfilmen unterstützt. Diese werden zum großen
Teil von der
Internationalen Organisation für Migration (IOM) konzeptioniert
und realisiert,
einem der zentralen Akteure in Europa bei der Entwicklung von
Programmen gegen
Menschenhandel, der Beratung von Regierungen bei Gesetzen gegen den
Menschenhandel und bei der Durchführung von Untersuchungen
über Menschenhandel
für die Sexindustrie. Als eine internationale Einrichtung arbeitet
die IOM eng
mit europäischen Regierungen wie auch mit der Europäischen
Kommission, der
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und
verschiedenen
Abteilungen der Vereinten Nationen zusammen.
In
diesem Essay
konzentriere ich mich auf eine
der neueren IOM Kampagnen gegen Menschenhandel, die in den baltischen
Staaten
gestartet wurde. Die Kampagne lief ein Jahr – von Oktober 2001
bis Oktober 2002
– und sie umfasste 508 Plakate, die an Bushaltestellen
ausgehängt wurden sowie
21 Plakate auf großen Plakatwänden.#1## Wie bei anderen IOM
Kampagnen auch
griff diese Kampagne auf Bilder weiblicher Körper in einer
Opferpose zurück –
ein halb-nackter weiblicher Körper, der von Schnüren und
Haken in der Luft
hängend gehalten wird – um potentielle Migrantinnen vor den
Gefahren der
Migration und Prostitution zu warnen und um sie zu ermächtigen,
informiert über
Reisen und Arbeiten im Ausland entscheiden zu können. Statt ein
Werkzeug zum
Empowerment von Frauen zu sein, soll meine Analyse zeigen, dass die
Darstellung
der Körper gehandelter Frauen in den IOM Kampagnen als
überlistet, verwundet
und/oder zerbrochen weit davon entfernt ist, unschuldig zu sein;
Repräsentationsstrategien, die unbelebte, verwundete und stumme
weibliche
Körper bevorzugen, wiederholen das bekannte Szenario, in dem
weibliche Körper
passive Objekte männlicher Gewalt sind und demarkieren die
Grenzen, innerhalb
derer Frauen als aktive Akteurinnen/Subjekte vorgestellt werden
können. Indem
ich die Re/Präsentationstechniken des IOM untersuche, werde ich
auf die
Verbindung zwischen stereotyper Repräsentation von Weiblichkeit,
der Migration
von Frauen und der Erweiterung Europas hinweisen und vorschlagen, die
Kampagne
der IOM als einen Schauplatz anzusehen, auf dem die Angst vor der
gegenwärtigen
Transformation europäischer Staatsbürgerschaft und
Zugehörigkeit bloßgelegt
wird.
Frauen als
Puppen
Die Kampagne in den
baltischen Staaten
verwendet den vertikal hängenden, halb-nackten, aufgehängten
und durchbohrten
weiblichen Körper als ihr zentrales ‚concept-image’
(Sipaviciene 2002). Die
visuelle Repräsentation ist, obwohl sie künstlerisch
sorgfältig und
anspruchsvoll ausgeführt wurde, einfach und direkt in ihrer
Absicht. Vor einem
dunkelblauen Hintergrund beleuchtet Licht das Subjekt von beiden Seiten
und
erhellt die Haut der Frau in einer Art und Weise, die diese
wunderschön mit dem
Blau des Hintergrunds kontrastieren lässt. Die Einfachheit und
Eindeutigkeit
wird durch die Verwendung komplementärer Farben verstärkt,
die zusammen einen
dynamischen Effekt erzielen. Dieses Farbschema überlädt das
Bild mit nicht zu
vielen Wahrnehmungseindrücken und lässt die Aufmerksamkeit
des/der BetrachterIn
auf den weiblichen Körper fokussiert. Die Haken und Stricke, die
den leblosen
weiblichen Körper durchbohren und ihn aufgehängt halten,
führen das Auge
des/der BetrachterIn aus dem sichtbaren Rahmen heraus, ein Hinweis auf
eine
dritte Partei, welche die Bewegungen des weiblichen Körpers
kontrolliert und
absolute Kontrolle über ihn hat. Der leblose Körper, die
Schnüre und die
‚unsichtbare’ dritte Partei laden den/die BetrachterIn dazu
ein, Opfer des
Menschenhandels mit einer Puppe zu assoziieren. Variationen dieses
Themas
werden ebenfalls verwendet, beispielsweise wird derselbe weibliche
Körper hockend
abgebildet, oder es sind einfach nur Körperteile wie
beispielsweise hängende
Beine zu sehen. Neben der visuellen Charakterisierung unterstreichen
die beiden
begleitenden Texte die Repräsentation weiblicher Figuren als
Puppen: „Do not
trust easy money abroad“#2## und „You will be sold like a
doll“#3##. Diese
zerdrücken den Körper wortwörtlich und fixieren seine
Repräsentation auf den
Referenten der Puppe.
Die Festsetzung der
weiblichen Figur im Trope
der Puppe war als solche von den AutorInnen der Kampagne intendiert, um
die
erlebten Erfahrungen gehandelter Frauen zu vermitteln. Als Antwort auf
die
Kritik von Ann Jordan, der Direktorin der Initiative Against
Trafficking in
Persons of the International Human Rights Law Group, dass das Konzept
der ‚menschlichen
Marionette’ erniedrigend und sensationsheischend sei,
erklärte die Leitung von
IOM Mass Communication, dass das Bild aus dem Grund gewählt wurde,
da es am
besten die tatsächlichen materiellen Umstände des
Menschenhandels und die
daraus folgenden Konsequenzen für Frauen wiedergibt:
„Die Nacktheit
sollte die Hilflosigkeit und
Verwundbarkeit gehandelter Frauen zeigen. Die Haken sind visuelle
Metaphern,
die verwendet werden, um einen wesentlichen Aspekt des Menschenhandels
zu
vermitteln, nämlich die Manipulation und Ausbeutung denen
gehandelte Frauen
unterworfen sind […]. Frauen werden geschlagen, vergewaltigt,
unter Drogen
gesetzt; sie werden rücksichtslos ausgebeutet und leben und
sklavenähnlichen
Bedingungen mit Handschellen an Betten gekettet in schmutzigen und
armseligen
Behausungen. Einige leben nicht lang genug, um ihre Geschichten
erzählen zu
können, da sie umgebracht werden oder sich in Verzweiflung das
Leben nehmen
[…]. Die meisten gehandelten Frauen finden sich als Sklaven
behandelt wieder, ohne
Kontrolle über ihr Leben. Dies ist die Idee, die wir vermittelt
wollten.“#4##
Die Konstruktion von
Frauen als Opfer des
Menschenhandels verwendet daher die visuelle Metapher der Puppe als
bevorzugten
Signifikanten, um den von den HändlerInnen aufgezwungenen
Missbrauch und die
Ausbeutung zu vermitteln wie auch den damit einhergehenden Entzug der
Freiheit
und den (vollständigen) Mangel von Handlungsfähigkeit.
Innerhalb dieses Rahmens
funktionieren die Nacktheit und die Haken als visuelle Synekdochen der
tatsächlichen
Erfahrungen der Frauen. Anders gesagt, IOMs Konzeptionalisierung der
„menschlichen Marionette“ fußt in einem Projekt, dass
von einer geradlinigen
und eindeutigen Beziehung zwischen der Realität der Erfahrungen
der Frauen und
ihrer Repräsentation ausgeht.
Es ist natürlich
möglich, wie es IOM tut,
Metaphern als eine Beziehung verkürzter Ähnlichkeit zu
betrachten. Meine Lesart
des weiblichen Körpers in der IOM Kampagne als ein symbolischer
Raum stellt
jedoch das unproblematische Verständnis der Metapher als eine
Figur der
Ähnlichkeit in Frage. Wie Anne Cronin in ihrer Arbeit zu Gender,
Bildern und
Werbung erklärt, weist die Metapher gleichzeitig auf die
vermittelte Beziehung
zwischen dem Signifikanten und dem Referenten hin und
vergrößert sogar die
Distanz zwischen dem „Faktischen“ und dem
„Fiktionalen“: ‘Our
access to the “real” is mediated … by the “
detour” of
metaphor. In
reaching out for the “real” through metaphor, we are
paradoxically
held at distance from it’#5##
(2000: 88).Entlang ähnlicher
Linien haben
feministische KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen
gleichermaßen darauf
hingewiesen, dass der Vorgang des Gleichsetzens und Verschmelzens der
visuellen
Bilder von Frauen und der Erfahrung der Verkörperung recht
problematisch ist
(Reckitt und Phelan 2001). FeministInnen habe die Distanz zwischen der
‚Frau
als Repräsentation’ und der ‚Frau als Erfahrung’
sowohl differenziert als auch
anerkannt. Die Frau als Repräsentation, hier als ‚Frau’
bezeichnet, ist ein Signifikant, der Teil einer symbolischen Ordnung
ist, die
‚sie’ als das irrationale Andere des Mannes positioniert,
identifiziert mit dem
Körper und mit der Emotion, ohne Bewusstsein und beschränkt
auf Immanenz
(Braidotti 1994). FeministInnen argumentieren, dass die Frau als
historischen
Wesen und als Subjekt gesellschaftlicher Beziehungen nicht verwechselt
werden
sollte, mit der ‚Frau’, die ‘purely
a representation, a positionality within the phallic model of desire
and
signification’#6## ist (De Lauretis 1987: 20). Die
Nacktheit, die
Schnüre und die Haken vermitteln als Metaphern daher weniger die
Ähnlichkeit
zwischen „Frau als Erfahrung“ und „Frau als
Repräsentation“. Ich denke eher,
dass sie vielmehr die Distanz zwischen ihnen abbilden und wiederholt
Frauen in ‚Frauen’ verwandeln, ein Vorgang,
der Frauen an ihren
spezifischen Platz als Bedeutungsträgerinnen in der symbolischen
Ordnung bindet
(vgl. Mulvey 2003: 44). Dieses Vorgehen wird am deutlichsten sichtbar,
wenn wir
dem Fakt Aufmerksamkeit schenken, dass die IOM Kampagne den weiblichen
Körper
unbeweglich macht und des Blicks und der Stimme beraubt, beide zentrale
Instrumente der Subjektivität. Das Verstummen weiblicher
Charaktere steht in
direkter Verbindung zu ihrer Repräsentation als Opfer, deren
Körper verletzt wurden
und die Führung und Schutz benötigen.
Die Eindeutigkeit der
visuellen und textlichen
Anreden ermöglicht eine signifizierende Transaktion, in der die
Arbeitsmigration von Frauen ins Ausland (‚Do not trust easy money
abroad’) mit
Sklaverei (‚You will be sold like a doll’) gleichgesetzt
wird, gedacht als der
kommerzielle Menschenhandel und der darauf folgende vollständige
Verlust der
Freiheit. Neben den visuellen Bildern findet sich eine ähnliche
Argumentation
in den Faltblättern der Kampagne. Die Antwort, welche das IOM Faltblatt auf die Frage
‚Considering an
offer to work abroad?’#7## gibt, illustriert diesen Punkt recht
gut: ‘We do not want to discourage
you – your trip can be
successful and interesting. Unfortunately, there are many cases when
people do
not bring any fortune or good impressions from the foreign country, but
rather
find themselves in a situation of slavery abroad’#8##
Statt dem
‚schnellen Geld’ hinterher zu jagen, schlägt das
Faltblatt vor, dass Frauen
Arbeitserlaubnisse und Visa beantragen, bevor sie ins Ausland zum
Arbeiten
gehen. Trotz bester Absichten
berücksichtigt diese
Überlegung nicht, dass es, wie viele Studien gezeigt haben,
aufgrund der
gegenwärtigen restriktiven Immigrations- und Arbeitsgesetzgebung
der EU extrem
schwierig für junge Frauen aus Nicht-EU wie auch aus den neuen
EU-Mitgliedsstaaten#9## ist, Arbeitsvisa zu erhalten, ohne über
eine größere
finanzielle Unterstützung zu verfügen (Parrenas 2001,
Anderson und Phizacklea
1976). Außerdem zieht die IOM Kampagne nicht in Erwägung,
dass es die
Verschärfung der EU Immigrationskontrolle und restriktive
Arbeitsgesetze sind,
welche die Bedingungen für die Zunahme des Menschenhandels und der
Ausbeutung
von Arbeit schaffen (Anderson und O’Connell Davidson 2003,
Andrijasevic 2003,
Berman 2003, Sharma 2003).
Ich denke, dass die
Betonung der Gefahren der
Migration in der Kampagne die informelle Arbeitsmigration von Frauen
schwächt
und impliziert, dass Zuhausebleiben die sicherste Option junger Frauen
ist.
Darüber hinaus lässt der Gebrauch der Puppen-Metapher durch
die IOM
Weiblichkeit mit dem Körper und mit Häuslichkeit
zusammenfallen, verstärkt die
Repräsentation von Frauen als passive Objekte und verweist sie auf
den Status
als ‚beneficiaries’ (Fraser in: Cronin 2000: 106) der gegen
den Menschenhandel
gerichteten Maßnahmen.#10## Dadurch werden Frauen einmal mehr auf
die private
und die häusliche Sphäre verbannt, anstatt dass sie als
Subjekte anerkannt
werden, ausgestattet mit, und konstituiert durch, die Fähigkeit zu
Handeln.
Migration und
Stabilisierung
Die Angriffen
ausgesetzte und beschädigte Haut
der ‚menschlichen Marionette’ bezeugt Schmerz, Gewalt und
Missbrauch und steht
für ein Subjekt, dessen Selbst unauslöschbar verwundet wurde
in Folge der
Begegnung mit anderen Körpern während der Migration. Die
Produktion eines
angegriffenen weiblichen Körpers durch das Vernarben der Haut
rückt Fragen nach
der Subjektformation in den Vordergrund. Feministische
WissenschaftlerInnen
haben darauf hingewiesen, dass die Haut - neben ihrer Funktion, die
‚Wahrheit’
über das ‚Subjekt’ zu enthüllen -, indem sie die
‚äußere’ Schicht des Körpers
darstellt, auch als ein ‚Grenzobjekt’ funktioniert, welches
das Selbst vom
anderen trennt (Ahmed und Stacey 2001), oder als ‚Schwelle’
des Zugangs zu
dem/den anderen (Irigaray 1993). Die Haut, gelesen als die
‚Grenze’, welche den
Körper vor dem/den ‚externen’ anderen schützt,
verlangt konstante Zuwendung, um
intakt zu bleiben. Wie Ahmed (1998) in ihrer Analyse gegenwärtiger
Diskurse um
Kosmetik zeigt, betrifft die Pflicht die Haut zu pflegen im Besonderen
Frauen.
Eine gut geschützte Haut ist daran zu erkennen, dass sie
‚unmarkiert’ ist, und
das Fehlen von Rissen ist ein Zeichen für den Wertes des
Körpers einer Frau und
ihrer Weiblichkeit.
Die Haut als Schwelle
des Zugangs trennt und
verbindet das Selbst mit dem/den anderen. In einer dialektischen
Beziehung
berührt die Haut andere und wird von anderen berührt. In der
Ökonomie der IOM
Kampagnen nimmt die Begegnung mit einem fremden Element eine Reihe von
Bedeutungen an. Steht der Migrationsaspekt im Vordergrund, weist die
verwundete
Haut auf gewalttätige und verletzende Begegnungen mit Leuten
verschiedener
nationaler und kultureller Identitäten hin, denen
‚sie’ auf ihrer Reise
begegnet ist. Im Bezugsrahmen des Menschenhandels allerdings steht die
Begegnung mit dem/den anderen nicht nur in Verbindung mit dem Kontakt
mit
dem/den fremden anderen hinsichtlich Kultur oder Nationalität,
sondern sie
bezieht sich im Besonderen auf die sexuelle Natur der Begegnung. Die
Risse in
der Haut am/des weiblichen Körper bezeichnen dann, so denke ich,
dass der
Kontakt statt gefunden hat und dass der andere herein gelassen wurde
(oder sich
hereingelassen hat). Vernarbte Haut bezeugt, dass die sexuelle
Begegnung ein
unauslöschbares Mal hinterlassen hat, welches ‚ihre’
Weiblichkeit abwertet.
Gerade weil die Haut charakterisiert ist durch, wie es Sara Ahmed sagt,
‚ the
constitutive possibility of seeping between one and
an-other’#11##, weil sie
das ‚Außen’ daran hindern soll, ‚Innen’
zu werden und das ‚Innen’ daran,
‚Außen’ zu werden, kann sie am besten als eine
‚site of social crisis and
instability’#12## (1998: 36) verstanden werden.
Um die Bedrohung der
Unsicherheit einzudämmen,
muss das weibliche Andere, welches ständig die Kategorien der
Differenz
zerreißt, eingeschränkt werden. Die Haken und Seile
übernehmen genau diese
Funktion: Sie halten den weiblichen Körper an einem Platz und
verwandeln ‚sie’
aus einem subversiven Zeichen in das Zeichen des Subversiven, um so die
binäre Opposition
zwischen Selbst und anderem erneut zu errichten und die hierarchische
Ordnung
wieder herzustellen, in der ‚sie’dadurch unter Kontrolle
gebracht wird, dass
sie als ‚Frau’ gefasst wird (vgl.
Bronfen 1992: 189). Dieses
Vorgehen, das Weibliche in einer statischen Figur zu fixieren, wird
direkt von
den zahlreichen Haken vermittelt, die den Körper in der Luft
halten. Die
Position des Kopfes, der Arme, Hände, Beine und Füße
dienen alle dazu, dass
Bild der gehandelten Frau als unbelebtes Objekt zu vermitteln. Die
Konstruktion
wird besonders deutlich in Abbildung 3, wo die ausschließliche
Fokussierung auf
die Beine und Füße der Frau geradezu dazu auffordert, den
weiblichen Körper als
einen toten Körper zu lesen.
Wie die Trope der
Puppe ist auch der tote
weibliche Körper Teil des gemeinsamen Bildrepertoires westlicher
Kultur.
Elisabeth Bronfen zeigt in ihrem Buch über Tod, Weiblichkeit und
Ästhetik, dass
die Paarung von Weiblichkeit und Tod ein populäres und
beständiges Thema in der
Literatur und Malerei von der Zeit der Empfindsamkeit bis zur Moderne
war
(1992). Gerade weil die Bilder des weiblichen Todes so vertraut und so
überaus
nahe liegend sind, erklärt Bronfen, entkommen sie häufig der
Betrachtung. Dies
wird dadurch verstärkt, dass das, was tatsächlich mit der
Repräsentation des
toten weiblichen Körpers verhandelt wird, nicht sichtbar ist.
Tatsächlich sind
sowohl Tod als auch Weiblichkeit bevorzugte Tropen, durch welche Kultur
ihr
Wissen um den Tod als auch ihr Begehren nach Unveränderbarkeit
verdrängt (und
artikuliert). In der Repräsentation des Todes wird die Existenz
des Todes zur
gleichen Zeit sowohl anerkannt als auch verdrängt, gerade da sie
als Bild
auftritt und als solches auf den Bereich der Repräsentation
beschränkt bleibt
und weil der Tod den Körper eines anderen betrifft und dadurch
den/die
BetrachterIn als lebendig affirmiert. Das Weibliche als ein Zeichen,
welches
das symbolische Register destabilisiert, wird im Tod eine statische
Figur, die
Andersheit auf eine stabile Art bezeichnet. Der geopferte weibliche Körper, führt Bronfen
weiter aus, ist ein Ort, an dem der Kampf um die Re-Affirmation der
Grenzen
zwischen Selbst und anderem und einer bedrohten Ordnung verhandelt
wird: ‚Over
her dead body, cultural norms are reconfirmed or secured, whether
because the
sacrifice of the virtuous, innocent woman serves a social critique and
transformation or because the sacrifice of a dangerous woman
reestablishes an
order that is momentarily suspended due to her presence’#13##
(1992: 181).
Die Untersuchung der
Haut als Grenzobjekt und
als Schwelle des Zugangs zu dem/den anderen und die Untersuchung des
weiblichen
Todes als ein Modus, die bedrohte Ordnung wieder zu bestätigen,
erhellt, wie
die Repräsentation aufgehängter und gefesselter weiblicher
Körper in der IOM
Kampagne gegen den Menschenhandel die Krise der europäischen
politischen
Gemeinschaft anspricht. Verwundete und misshandelte weibliche
Körper als
zentrale Tropen der IOM Kampagne enthüllen eine Reihe von
Ängsten vor
ökonomischen und politischen Veränderungen im östlichen
europäischen Raum wie
auch vor europäischer Integration und vor Auseinandersetzungen um
Zugehörigkeit
und Staatsbürgerschaft in der erweiterten europäischen
Gemeinschaft. Die
Ambivalenz und Krise von Grenzen wird durch einen porösen
weiblichen Körper
repräsentiert. Wenn die Integrität einer politischen
Gemeinschaft wieder
gewonnen und Grenzen bewahrt werden sollen, muss ein weiblicher
Körper, wie
meine Analyse nahe legt, (mit Haken und Seilen) in eine fixierte
Haltung und in
ein stabiles Zeichen festgezogen und gesichert werden. Der Rekurs auf
die Trope
der Puppe oder des toten weiblichen Körpers reduzieren Frauen zum
einen auf das
Zeichen ‚Frau’ und verweisen zum anderen
auf das Begehren,
eine vertraute und geordnete Welt wiederherzustellen. Das, was
wörtlich in der
baltischen IOM Kampagne repräsentiert ist, der misshandelte
weibliche Körper,
‚sickert’ durch (und übertrifft) seine
Repräsentation, um ein Gefühl von
Beunruhigung darüber bloß zu legen, dass die Grenzen einer
politischen
Gemeinschaft durch die Migration von Frauen, einem ökonomischen
‚Übergang’ und
der europäischen Integration verändert werden. Der tote
Körper der Frau weist
damit sowohl auf einen Moment der Beunruhigung über die
Instabilität einer
politischen Gemeinschaft hin, als dass er auch die Illusion von
Kontrolle und
Sicherheit durch ihre Stabilisierung aufrechterhält. Damit die
(Phantasie
einer) sozialen Ordnung wieder hergestellt werden kann, wird die Frau
symbolisch getötet, ihre Subjektivität ausgelöscht und
in ein Stereotype
verwandel.
Schluss
Der weiße
weibliche Körper, das Bild im
Zentrum der IOM Kampagne, konstituiert einen privilegierten Raum, in
dem
Konflikte um die symbolische Ordnung und
Staatsbürgerschaft/Zugehörigkeit in
einen sichtbaren repräsentationellen Rahmen übersetzt werden
(Lionnet 1995:
127). Die von der IOM Kampagne gegen Menschenhandel hervorgebrachte
‚technology
of gender’ - dieser Terminus wurde von de Lauretis vorgebracht,
um auf die
Techniken und diskursiven Praktiken hinzuweisen, durch welche Gender
konstruiert und Gewalt erzeugt wird - legt den Kampf um die Kontrolle
weiblicher Körper, Sexualität und Arbeitsmobilität
bloß, da diese den Prozess
des ökonomischen ‚Übergangs’ und der Integration
in ein erweitertes Europa
begleiten. Die Konstruktion viktimisierender Bilder ist auf
künstlerische/visuelle Techniken und narrative Strategien
angewiesen, welche
die Produktion der ‚Frau’ als
häuslich, passiv und sexuell
aufrechterhalten. Der weibliche Charakter wird der Sprechstimme und des
aktiven
Blicks beraubt; ihr Körper wird zusammengedrückt und durch
eine Rhetorik
eingeengt, die ‚sie’ ausschließlich als Opfer
positioniert. Die Repräsentation
von Gewalt ist daher selbst gewalttätig, da sie Stereotypen
über osteuropäische
Frauen bekräftigt, das Weibliche mit dem passiven Objekt
gleichsetzt, den
Körper von seiner Materialität und von dem historischen
Kontext, in dem
Menschenhandel stattfindet, trennt und schließlich Frauen auf das
in einem
hohen Maße Fähigkeiten absprechende symbolische Register der ‚Frau’ beschränkt, um eine
imaginäre soziale Ordnung zu
erhalten.
Ängste und
Beunruhigungen über die sich
verändernde Landschaft Europas werden mittels einer diskursiven
und visuellen
Eindämmung stabilisiert, die osteuropäische Frauen innerhalb
der Koordinaten
‚ihres’ ihres Staatsterritoriums
hält. Die Stabilisierung
der gegenwärtigen Transformationen innerhalb der europäischen
Gemeinschaft
durch das Festsetzen von Frauen innerhalb des Zeichens
‚Frau’
geht Hand in Hand mit einer Beschränkung der sozialen und der
Arbeitsmigration
osteuropäischer Frauen. Gerade zu einem Zeitpunkt, an dem die
Arbeitsmobilität
innerhalb der EU gefördert und diese eines der Hauptattribute zur
Beschreibung
der europäischer Gemeinschaft und seiner BürgerInnen geworden
ist, schwächt die
IOM Kampagne gegen Menschenhandel die Mobilität
osteuropäischer Frauen und
bestärkt diese darin, zuhause zu bleiben. Infolgedessen ordnet die
IOM Kampagne
- zum Zeitpunkt einer tiefgehenden sozialen und symbolischen
Reorganisierung
des europäischen Raums - eine (diskursive) Eindämmung an,
welche die
Möglichkeiten neue Bilder weiblicher Subjektivität zu
erzeugen begrenzt und so
die Körper osteuropäischer Frauen auf ihrem Platz und
außerhalb der Staatsbürgerschaft
hält.
Übersetzung aus
dem Englischen: Timo Wandert
1# Mehr Informationen
unter
www.focus-on-trafficking.net
2# „Vertrauen
Sie nicht dem schnellen Geld im
Ausland“
„Sie werden wie eine
Puppe verkauft werden“
Der Austausch zwischen Ann
Jordan und Laurentiu Ciobanica, Leiter von IOM Mass Communication,
wurde auf
der Stoptrafficking Mailing List, Vol. 1, #744, am 13. Dezember 2002
gepostet.
Im Original in Englisch.
5# ‚Unser Zugang
zum „Realen“ wird vermittelt
[…] über den „Umweg“ der Metapher. Wenn wir
nach dem „Realen“ mithilfe von
Metaphern greifen, werden wir paradoxerweise auf Distanz davon
gehalten.’
6# „völlig
eine Repräsentation, eine
Positionalität im phallischen Modell des Begehrens und der
Signifizierung“
7# „Denken Sie über ein
Angebot nach, im Ausland zu arbeiten?“
8# „Wir
möchten Sie nicht entmutigen – ihr
Trip kann erfolgreich und interessant sein. Unglücklicherweise
gibt es viele
Fälle, in denen Leute kein Vermögen oder gute Eindrücke
aus dem Ausland
mitbrachten, sondern sich stattdessen im Ausland in einer Situation von
Sklaverei wieder finden.“
http://www.focus-on-trafficking.net/inside.php?ln=en&page=advice
9# Obwohl 2004 eine
Reihe von ‚ost’-europäischen
Staaten in die EU aufgenommen wurde, berechtigt dies ihre
EinwohnerInnen nicht
dazu, frei eine Beschäftigung in der EU aufzunehmen.
WissenschaftlerInnen
weisen darauf hin, dass die ‚neuen EU-BürgerInnen’
nicht viel dazu gewinnen, da
sie schon seit einiger Zeit kein Visum mehr brauchen, um das
Schengen-Territorium zu betreten. Auf der anderen Seite gelten für
die neuen
EU-Mitgliedsstaaten dieselben Immigrationsbestimmungen wie für
StaatsbürgerInnen von Drittstaaten und ihr Anspruch auf
Arbeitsmobilität ist
für eine Zeit von zwei bis sieben Jahre nach dem Beitritt
verschoben (Mezzadra
und Rigo 2003).
10# Entsprechend sind
stumme, passive und zum
Objekt gemachte Körper, die für die Zuweisung eines Status
als Opfer verwendet
werden, zentral für die Artikulation einer Politik der
Erlösung (Puwar 2003).
Dieses Vorgehen wird am besten deutlich, wenn die Analyse auf mehrere
IOM
Kampagnen ausgedehnt wird, wie ich es in meiner Dissertation mit dem
Titel
„Trafficking in Women and Politics of Mobility in Europe“
(2004) getan habe.
Leider ist es nicht möglich diesen Punkt weiter auszuweiten.
11# „die
konstitutive Möglichkeit des
Durchsickerns zwischen der/dem einen und der/dem anderen“
12# „Ort
sozialer Krise und Instabilität“
13# „Über
ihren toten Körper werden kulturelle
Normen bestätigt oder abgesichert, sei es weil das Opfer der
tugendhaften,
unschuldigen Frau der sozialen Kritik und Transformation dient oder
weil das
Opfer der gefährlichen Frau eine
Ordnung wiederherstellt, die aufgrund ihrer Anwesenheit
gegenwärtig außer Kraft
gesetzt ist.“
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